Henrik, 25 Jahre, hat drei verschiedene berufliche Standbeine

Für Henrik ist die Frage der Geschlechtsidentität gerade noch eine Reise. Es ist ein intrinsisches Gefühl, das Henrik immer mehr nach Aussen, auf hens Körper überträgt. «Meine Seele ist nonbinär», stellt hen fest. 

Henrik arbeitet als Wildkräuterexpert_in: Die Firma, bei der hen arbeitet, gibt Wildkräuterkochkurse, bietet Pflanzenwanderungen und Mikroabenteuer an. Henrik kann in der Arbeit hens Begeisterung für einen achtsamen Umgang mit der Natur teilen. Ausserdem macht hen eine Ausbildung zur Deutschlehrperson. In diesem Kontext arbeitet hen aktuell in verschiedenen Praktika. Bei einem der zwei Praktikumsbetreuenden hat Henrik sich geoutet. Die beiden haben sich darauf geeinigt, dass Henrik im Praktikum (noch) mit männlichen Pronomen auftritt. «Es gab keine Zeit, das mit den Kids zu thematisieren und es würden zu viele Fragen entstehen. Beispielsweise, wie macht man das mit dem Siezen ohne Herr oder Frau?» Henrik ist aber überzeugt, dass nonbinäre Vorbilder für die Kinder wichtig wären. Henriks Ziel ist es, bei Arbeitgebenden und in der Schule geoutet zu sein und damit auch einen nonbinären Space zu kreieren: Für andere Lehrpersonen gleichermassen wie für die Jugendlichen. 

An Henriks Wildkräuter-Arbeitsplatz ist hen out und die Menschen dort verwenden meistens die korrekten Pronomen. Dem Firmeninhaber gelingt es konsequent, «hen/hens» als Pronomen zu verwenden, was Henrik die Sicherheit gibt, dies auch vom restlichen Team einzufordern. «Ich muss nicht als Mann durchgehen und mein Chef steht hinter mir.»

Zum Zeitpunkt des Interviews plant Henrik, noch einen formellen Input zu machen, da hen merkt, dass teilweise das Bewusstsein für Nonbinarität nicht ausreichend vorhanden ist.

Henrik wäre nicht Henrik, wenn hen nicht noch ein drittes Standbein hätte: Poetry Slam. In der Slam Szene hat Henrik auch hens Vornamen geändert. Das ist teilweise noch immer schwierig, weil die Menschen hen schon lange kennen: «Du siehst immer noch genau gleich aus!». Henrik schmunzelt als hen das erzählt und hen versteht, dass Nicht Binarität zu begreifen schwierig für Aussenstehende sein kann. 

Eine der grössten Herausforderung sieht Henrik darin, dass es gerade für nonbinäre Menschen wenig Vorbilder gibt, auf die sie zurückgreifen oder mit denen sie sich austauschen können. Das ist etwas, was Henrik bedauert.

Trotzdem sieht hen das nonbinäre Coming-out als etwas Positives: «Am Anfang ist es energieraubend und Hilfe ist wichtig. Aber wenn die Anfangszeit überstanden ist, wird es immer normaler, bis es irgendwann kein Ding mehr ist.»

Zuletzt ist es Henrik noch wichtig, dass gerade nonbinäre Menschen, die nicht transitionieren, wissen, dass sie valide sind. Hier hilft es, Argumente parat zu haben, damit mensch auf gewisse Fragen eingehen kann. Und gleichzeitig warnt Henrik davor, den Anspruch an sich zu haben, von Null auf Hundert bei allen die über Jahrzehnte aufgebauten Ideen über Gender dekonstruieren zu müssen. «Du machst auch noch deinen Job! Schau also zu dir», fasst Henrik zusammen.