«Als das ‘wahre Ich’ ins Büro gehen zu können und mich in meinem bevorzugten Geschlecht zu präsentieren, war wirklich befreiend.»
Jennifers Coming-out vor drei Jahren war ein Erfolg. Sie ist nach wie vor für das gleiche internationale Unternehmen als Senior Architect tätig und hilft global tätigen Versicherungskonzernen, spezifische IT-Lösungen zu implementieren.
Die studierte Telekommunikationsingenieurin arbeitete damals in den USA und nach einer Halloween-Party war für sie klar, dass sie ihr Coming-out angehen wollte. Zunächst ging sie zu einer Supportgruppe und sprach mit anderen trans Menschen; dann öffnete sie sich gegenüber Freund_innen. Und nach einigen Wochen stand für sie fest, dass sie als Jennifer zur Arbeit gehen wollte. Eine besondere Herausforderung in der von cis Männern dominierten IT-Branche. Wie würden die Arbeitskolleg_innen und ihre Kund_innen reagieren?
Es brauchte wenig Mut, sich bei ihrer Managerin zu outen, weil sie an diesem Punkt ihrer Karriere mit dem Job nicht mehr zufrieden war. «Als ich Name und Geschlecht kommuniziert hatte, verlief alles ziemlich reibungslos», erinnert sich Jennifer. Da sie ihren ersten Arbeitstag als Jennifer in einem neuen Projekt mit neuem Team bei neuen Kund_innen hatte, war es ein Neustart ohne verdutzte Gesichter. Die grosse Herausforderung bestand darin, selbstsicher aufzutreten. Sie wurde positiv aufgenommen und niemand stellte Fragen, weil sie aufgrund ihres Make-ups, ihrer Kleidung und ihrer Stimme bereits ein gutes Passing erreicht hatte. Lediglich auf der Damentoilette gab es leicht irritierte Blicke, aber niemand stellte irgendwelche transbezogenen Fragen. So verlief das erste Jahr ohne negative Erfahrungen und ihr Selbstvertrauen wuchs stetig. Als sich Jennifer gewissen medizinischen Eingriffen unterziehen wollte, legte ihr das Unternehmen keine Steine in den Weg.
Die Firma ist allerdings ein «Old Boys Club» und Jennifer begann sich dafür einzusetzen, dass ihr Unternehmen die Leistungen von Frauen mehr würdigen und fördern sollte. So wurde sie im Folgejahr nach ihrem Coming-out zum ersten internationalen Frauentag ihres Unternehmens eingeladen und in die verschiedenen Aktivitäten miteinbezogen. «Das fühlte sich definitiv nach Anerkennung an und bedeutete mir sehr viel.»
Sie rät denjenigen trans Menschen, die ihr Coming-out noch vor sich haben, vorher mit anderen trans Menschen zu sprechen, die diesen Schritt bereits gemacht haben. Diese können von ihren eigenen Erfahrungen berichten und es tut gut, ihnen Fragen stellen zu können. So befreit man sich aus der Isolation und fühlt sich nicht mehr alleine. Dieser Austausch kann in der lokalen Trans-Gruppe stattfinden oder man kann sich Unterstützung durch eine Trans-Organisation holen.
Für Jennifer ist heute klar: «Sich selber zu sein ist befreiend, und es gibt mehr zu gewinnen als zu verlieren.»